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Ulrich Fiechter

Energiestrategie 2050 - Stoppt die neuen Steuern und Vorschriften!

Aktualisiert: 5. Okt. 2021


Bundesrätin Doris Leuthard erklärte in einem Interview im Hinblick auf die Volksabstimmung vom 21. Mai 2017 über das revidierte Energiegesetz (Der Bund, 8.4.2017, S. 9): „Das Geld für Heizöl, Benzin und andere fossile Energien fliesst (…) ins Ausland ab. Indem wir bei uns die Erneuerbaren stärken, schaffen wir Investitionen in der Schweiz und senken die Abhängigkeit vom Ausland.“ Weiter erklärte sie: “Natürlich haben die AKW keine einfache Situation, aber sie produzieren derzeit zu Kosten, die unter jenen der Wasserkraft liegen – und sie haben den Vorteil, dass Kernenergie im Winter nach wie vor gefragt ist.“

Die Abhängigkeit vom Ausland senken? Im Inland teurere Investitionen tätigen? Weshalb braucht es überhaupt zusätzliche staatliche Massnahmen? Antwort: Weil die Funktionsweise der Märkte zu wenig verstanden wird. Wo wird das Fachwissen der Ökonomen bei der Energiestrategie 2050 berücksichtigt? Es scheint, als fehle eine wirtschaftliche (volks- und betriebswirtschaftliche) Gesamtschau des Bundesrates. Der Stimmbürger kann sich nämlich aufgrund der aufbereiteten Unterlagen kein klares Bild über die direkten und indirekten Kosten der vorgeschlagenen Massnahmen machen.

Die Schweiz ist weltweit betrachtet eine sehr kleine Volkswirtschaft. Sie ist nicht nur bei der Energie, sondern auch in vielen andern Bereichen, sehr stark vom Ausland abhängig (vgl. Beispiele in Abbildung 1).


Die Auslandabhängigkeit der Schweiz bei ausgewählten Gütern

Abbildung 1

Trotz der enormen Auslandabhängigkeit geht es der Schweiz seit Jahrzehnten wirtschaftlich gut, weil sie diese positiv zu nutzen weiss. Der Wohlstand der Schweiz beruht unter anderem auf dem Export von Produkten und dem Erbringen von Dienstleistungen an das Ausland, die durch ausländische Unternehmen nicht oder nicht in so guter Qualität angeboten werden. Die mit den Exporten erzeugten Erlöse ermöglichen uns den Import von vielen Produkten, die andere besser machen und/oder billiger herstellen. Im Jahr 2015 umfassten 48% der Importe Konsumgüter (darunter auch Personenautos, Smartphones, Kleider, Haushaltelektronik, Lebensmittel). Zum Vergleich machten die Energieträger im gleichen Jahr 5% der Importe (ohne Dienstleistungen) aus (vgl. Abbildung 2 ).

Importe der Schweiz 2015 nach Verwendungszweck der Güter

Abbildung 2

Die Schweiz steht jedoch mit ihren Aktivitäten im weltweiten Wettbewerb mit bedeutenden Konkurrenten. Damit wir weiterhin mithalten können, muss die Schweiz auch in der Zukunft innovativer und produktiver sein als die ausländische Konkurrenz. Dies gilt nicht nur für die Exportunternehmungen, sondern auch für die gesamte inländische Wirtschaft, auf die sich letztlich die Exportwirtschaft abstützt. Dazu gehören u.a. auch das Verkehrswesen, die Verwaltung, das Gesundheitswesen und auch die Energieversorgung. Wir können uns beispielsweise keine kostspielige Vorreiter-Rolle in der CO2-Reduktion erlauben. Unser Beitrag ist, weltweit gesehen, verschwindend klein. Er macht ca. 1 Promille des Weltausstosses aus. Unsere Luft wird nur sauberer, wenn u.a. die grossen Nachbarländer, die viel mehr ausstossen, den CO2-Ausstoss reduzieren (vgl. Abbildung 3).

CO2-Ausstoss im Vergleich 2010 und später

Abbildung 3

Es dürfte deshalb zweckmässig sein, wenn wir im Gleichschritt mit den umliegenden Ländern die internationalen Vereinbarungen für die CO2-Reduktion umsetzen, um die Spiesse im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz mindestens gleich lang zu halten.

Damit die Schweiz produktiver ist, muss auch die Elektrizitätswirtschaft ihren Beitrag leisten. Auch in diesem Bereich hat es die Schweiz in den letzten Jahrzehnten verstanden, die Auslandabhängigkeit positiv zu nutzen. Etwa zwei Drittel der Elektrizität stammt aus eigenen Wasserkraftanlagen und ein Drittel aus Kernenergie (vgl. Abbildung 4).

Die Gewinnung von Elektrizität in der Schweiz im Jahr 2015

Abbildung 4

Wird bei der Energieversorgung ineffizient gearbeitet, erhöht dies den Strompreis für die Haushalte und auch die Herstellkosten für die zu exportierenden Produkte und Dienstleistungen. Dasselbe gilt, wenn beispielsweise bei den Stromnetzen Monopolrenten abgeschöpft werden, statt den Strompreis zu senken. Dadurch wird unsere weltweite Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Der Wohlstand sinkt, wir können weniger ausgeben für die Bildung, das Gesundheitswesen, die Verkehrssysteme und alle anderen Bereiche.

Mit dem neuen Energiegesetz (EnG) sollen neue AKW verboten werden. In der Abstimmungsunterlage wird jedoch nicht mit überzeugenden Argumenten dargelegt, was sich an der Risikobeurteilung seit dem Entscheid für den Bau der ersten AKW vor über 40 Jahren in der Schweiz verschlechtert hat. Die Tatsache, dass unsere AKW weiterbetrieben werden können, solange sie sicher sind, lässt den Schluss zu, dass AKW offenbar sicher betrieben werden können. Dann braucht es aber auch kein Verbot. Es muss einzig für einen sicheren Betrieb der Anlagen gesorgt werden. Ohne Verbot bleibt der Anreiz für die Forschung, weiterhin nach rentabler Nutzung der Kernenergie zu suchen, bestehen.

Weil eine auch für den Stimmbürger überzeugende Gesamtschau über die tatsächlichen volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Kosten fehlt, müssen ein paar einfache Überlegungen weiterhelfen: Was könnte dies bedeuten, aus der Atomkraft auszusteigen? Um sich darüber ein grobes Bild zu machen, dient die Zahl der heutigen Wasserkraftwerke. Es gibt heute in der Schweiz über 600 Kraftwerke unterschiedlicher Grösse. Wenn nun die Stromgewinnung aus der Wasserkraft um beispielsweise 10 % erhöht werden sollte, dann würde dies etwas vereinfacht betrachtet, 60 zusätzliche Wasserkraftwerke mit einer durchschnittlichen Leistung der heutigen Kraftwerke erfordern. Dadurch würden jedoch erst 20% der heutigen Kernenergie ersetzt.

Bis 2050 sollen 20 % des heutigen Elektrizitätsbedarfs aus Sonnenenergie gedeckt werden. Dies wären 20mal so viele Solaranlagen wie heute. Zudem sollen ca. 40mal so viel Elektrizität wie heute aus Windkraftanlagen gewonnen werden. Dies bedeutet bei heutigem Wirkungsgrad, dass zu den bestehenden Anlagen nochmals 40mal so viele Windkraftanlagen erstellt werden müssten. Ein paar wenige leistungsfähige Kernkraftwerkanlagen würden also durch eine grosse Zahl z.T. sehr kleiner Produktionsanlagen ersetzt. Beide, Sonne und Wind, sind zudem Energiequellen, die zu extrem grossen Schwankungen des Produktionsvolumens im Verlauf eines Tages und während den verschiedenen Jahreszeiten führen. Wie sollen dann die Lücken beispielsweise in der Nacht und im Winter für die ganze Schweiz überbrückt werden?

Der Gesetzgeber glaubt, er könne dies alles, mit einer weiteren Steuer auf dem Strom (einen sogenannten Netzzuschlag) von 0.8 Rp/kWh, sowie Subventionen und Vorschriften erreichen. Der bisherige Zuschlag von 1.5 Rp/kWh wird auf 2.3 Rp/kWh erhöht. Dadurch werden zusätzliche Einnahmen in der Höhe von 480 Mio. CHF pro Jahr erwartet. Davon sind 120 Mio. CHF für die bestehenden Grosswasserkraftwerke bestimmt. Dies ist erstaunlich, wenn man Zeitungsberichten Glauben schenkt, dass verschiedene Kraftwerkbetreiber noch vor ein paar Jahren grosszügige Dividenden an die Städte und Kantone, die häufig Mehrheitseigentümer der Kraftwerke sind, ausgeschüttet haben (vgl. FuW, 15. April 2017, S. 9).

Die Schweiz wird immer Energie importieren können. Wenn die Energie im Ausland billig ist, dann kaufen wir diese ein und produzieren damit. Wenn Energie weltweit knapp werden sollte, dann steigen die Preise, aber nicht nur für die Schweiz, sondern auch für die Konkurrenten unserer Exportwirtschaft. Wenn die Energiepreise steigen, dann wird automatisch sparsamer mit der Energie umgegangen. Wenn Deutschland massiv subventionierten Strom exportiert, dann könnte die Schweiz diesen, um die eigenen Wasserkraftwerke vorübergehend zu unterstützen, mit einer Importabgabe (Lenkungsabgabe) belasten, die ungefähr der deutschen Subvention pro kWh entsprechen würde. Die Einnahmen aus dieser Importabgabe sind, wie bereits heute die CO2-Abgabe, an die Haushalte zurückzuvergüten.

Das Stromnetz bildet die zentrale Infrastruktur für die Stromverteilung. Die Betreiber verfügen über ein natürliches Monopol. Dieses Netz muss von der Produktion unabhängig behandelt und reguliert werden. Dadurch werden die Kostentransparenz erhöht und besonders die Haushalte finanziell entlastet. Die Nutzung neuer erneuerbarer Energiequellen und der Bau von Pumpspeicherwerken werden dann erfolgen, wenn diese sich als rentabel erweisen. Auch dafür ist kein neues Gesetz erforderlich. Das revidierte Energiegesetz (EnG) ist in der vorliegenden Fassung abzulehnen.

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