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Volksinitiative „Für Ernährungssouveränität“

Ulrich Fiechter

Aktualisiert: 4. Okt. 2021


Am 23. September 2018 wird in der Schweiz über die Volksinitiative „Für Ernährungssouveränität.“ abgestimmt. Mit dieser Initiative soll der Bund noch stärker in die Produktion, die Vermarktung sowie den Import und Export von landwirtschaftlichen Produkten dirigistisch, beinah planwirtschaftlich eingreifen. Beispielsweise fordern die Initianten mehr Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, gerechte Preise und eine kleinräumliche Marktstruktur. Weder die Initianten noch die Gegner der Initiative konkretisieren jedoch ihre Forderungen und Argumente mit Zahlen. Der Stimmbürger muss sich selber, mit eigenen groben Schätzungen, ein Bild über die Konsequenzen derartiger Eingriffe in die Märkte für Agrarprodukte machen.

Um wie viel soll beispielsweise die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Personen erhöht werden und bis wann? Das Initiativkomitee macht darüber keine Aussage. Es weist einzig darauf hin, dass in den letzten 30 Jahren 100‘000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft verloren gingen. Nimmt man nun an, die Initianten möchten, dass über die nächsten zehn Jahre die Hälfte dieser verlorenen Arbeitsplätze, d.h. 50‘000, wieder geschaffen würden, dann stellt sich die Frage nach den Konsequenzen. Dazu gehört nämlich auch eine Annahme über die Höhe der Löhne. Die Initianten fordern eine gerechte Entlohnung, ohne auch dies genauer zu umschreiben. Deshalb soll hier von durchschnittlichen Personalkosten pro Person von 5‘000 CHF pro Monat brutto (Lohn und Sozialversicherungsbeiträge) ausgegangen werden. Diese Elemente ergeben bereits einen Hinweis auf die möglicherweise zu erwartenden Auswirkungen:

Die zusätzlich beschäftigten 50‘000 Personen würden nun unter anderem bewirken, dass die landwirt-schaftliche Produktion zusätzliche Personalkosten in der Höhe von 3.3 Mrd. CHF pro Jahr tragen müsste. Dies entspräche beinah einer Verdoppelung der Ausgaben des Bundes für Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2017 (vgl. dazu die Grafik unten). Zur Finanzierung wären höhere Subventionen erforderlich und die Preise auf den Produkten müssten steigen. Höhere Preise würden durch Zölle und Kontingente für eingeführte Agrarprodukte und/oder durch Mindestpreisvorschriften durch den Staat erzwungen. Für die zusätzlichen Subventionen müssten höhere Steuern eingefordert werden oder es werden die Ausgaben für andere Bereiche gekürzt. Es ist jedoch ungewiss, ob die Landwirte diese angestrebten Mehrein-nahmen dann auch tatsächlich für die Einstellung zusätzlicher Personen verwendet würden. Deshalb könnte später die Forderung aufkommen, dass die Auszahlung von Subventionen an die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte gebunden wird. Damit würde die Beschäftigung von zusätzlichen Leuten in der Landwirtschaft direkt subventioniert.

Bezüglich der zusätzlichen Arbeitskräfte stellt sich eine weitere Frage: Woher kommen diese 50‘000 Personen? In der Schweiz herrscht weitgehend Vollbeschäftigung. Werden diese von der Industrie abgeworben, dann werden dort die Löhne steigen und die industrielle Produktion wird verteuert, die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exportwirtschaft würde verschlechtert. Oder sollen zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland eingestellt werden? Auf solche und andere Fragen geben die Initianten keine Antwort.

Wenn die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ihren Wohlstand auch über die nächsten Jahre mindestens auf dem heutigen Niveau erhalten wollen, dann dürfen sie diese Initiative, die die volkswirtschaftliche Produktivität senkt und die Produktionskosten erhöht, nicht annehmen. Die Geschichte lehrt uns, eine staatliche Planwirtschaft kann uns nicht das, von den Initianten erwartete, wirtschaftliche und soziale Heil bringen!

Grafik: Ausgaben des Bundes nach Aufgabengebieten im Jahr 2017 (in Mio. CHF und in %)


Ausgaben des Bundes nach Aufgabengebieten im Jahr 2017

Quelle: Eidgenössische Finanzverwaltung, 21.03.2018

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