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Ulrich Fiechter

Mit fragwürdigen Mitteln zu mehr bezahlbaren Wohnungen

Aktualisiert: 4. Okt. 2021

Am 9. Feb. 2020 wird in der Schweiz über die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» abgestimmt. Der Wortlaut dieser Initiative wird hier als bekannt vorausgesetzt. Die Initianten wollen, wenn sie dies auch nicht explizit so ausdrücken, dass der Staat für Leute mit bescheidenen Einkommen für mehr Wohnungen mit tieferen Mietzinsen in zentralen Lagen sorge. Die Mittel dazu sind zusätzliche Subventionen und Vorschriften. Nachfolgend werden ein paar Argumente dargelegt, die gegen diese Initiative sprechen.


Zusätzliche Kosten ohne Erhöhung der Mieten

So steht im Initiativtext, dass der Bund sicherstellt, dass Programme der öffentlichen Hand zur Förderung von Sanierungen nicht zum Verlust von preisgünstigen Mietwohnungen führen. Bei dieser Forderung ist zu beachten, dass die Initianten selbst kein Investitionsrisiko tragen. Dies hindert sie jedoch nicht daran, jenen, die nun Wohnungen sanieren, auch noch vorzuschreiben, wie diese ihr Geschäft zu betreiben hätten.


Man halte sich dazu beispielsweise die Vorschriften für Gebäude zur Senkung des Energieverbrauchs und zur Reduktion des CO2-Ausstosses vor Augen, die nun seit vielen Jahren immer weiter verschärft worden sind. Diese Vorschriften führen bei der Renovation und beim Neubau von Wohnungen trotz Fördermittel nachweisbar zu höheren Kosten. Nun verlangen die Initianten, dass all jene, die Wohnungen nach diesen Vorschriften renovieren und bauen, die damit verbundenen höheren Kosten auch noch allein tragen sollen und keine höheren Mieten verlangen dürfen. Die Abbildung 1 veranschaulicht beispielhaft die Situation anhand eines 4-Familienhauses.

Kosten einer Wohnungssanierung für Vermieter und Mieter

Dieser Eingriff würde nicht nur den Tierarzt treffen, der mit seiner Altersvorsorge ein Mehrfamilienhaus baut, sondern auch die Mitglieder von Pensionskassen, die für ihre Gelder eine langfristig optimal Verzinsung erwarten, aber auch Immobilienfirmen und andere, die bis heute unsere Wohnsubstanz erhalten und neue Wohnungen anbieten. Die Erfahrungen zeigen, dass unter solchen Rahmenbedingungen Anbieter entscheiden werden, keine neuen Wohnungen mehr zu bauen und auch weniger Renovationen zu tätigen. Die negativen Auswirkungen werden häufig erst später sichtbar, und zwar dann, wenn der Wohnungsbau nicht mehr der steigenden Nachfrage folgt. Die Zeitungen werden mit der alarmierenden Schlagzeile aufwarten «Wohnungsmangel! Der Staat muss etwas unternehmen». Das ist jedoch nicht notwendig, denn bald werden die Mieten steigen und die Bautätigkeit wird wieder etwas angeregt. Dies wäre allerdings schon früher geschehen, wenn die Vermieter unmittelbar nach der Sanierung auch die Mieten hätten anheben dürfen.


Werden jedoch die Mieten angehoben, dann steht schon die nächste Forderung vor der Tür, es müsse ein «Mietendeckel» (Höchstmiete) eingeführt werden, mit all den negativen Folgen, die uns viele Beispiele aus dem europäischen Ausland seit Jahrzehnten vor Augen führen.


10%-Anteil und danach?

Weiter verlangen die Initianten, dass der Bund dafür sorgt, den Anteil der Wohnungen im Eigentum von Trägern des gemeinnützigen Wohnungsbaus am Gesamtwohnungsbestand zu erhöhen. Dabei steht heute noch die Unterstützung mit zinsgünstigen und durch den Staat gedeckten Darlehen im Vordergrund. Der Steuerzahler soll also unter dem Begriff «gemeinnützig» gezwungen werden, Steuergelder in diesen Kanal zu lenken. Dabei soll bei neu gebauten Wohnungen der Anteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus 10% betragen. Schon hier stellt sich die Frage, weshalb gerade 10% und nicht 20% oder mehr Prozent? Darauf geben die Initianten keine Antwort.


Wenn jedoch der geforderte 10%-Anteil nach einer gewissen Zeit nicht erreicht wird, dürfte die Forderung erhoben werden, Immobilienunternehmen seien zu enteignen, wie wir dies zurzeit in Berlin anschaulich verfolgen können. Zuerst zielt man nur auf die grossen und danach auf die immer kleineren Unternehmen. Ein Eingriff wird auch hier weitere Eingriffe mit sich ziehen! Die in der Bundesverfassung Art. 26 verankerte Eigentumsgarantie wird mit Füssen getreten.


Aufmerksame Beobachter konnten über die letzten 15 Jahre anhand der Entwicklungen in den USA verfolgen, wohin eine ausufernde staatliche Förderung des privaten Wohneigentums führen kann. Im Fall der USA führte diese nämlich in die grösste Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Weltwirtschaftskrise 1929 (einen guten Überblick dazu vermittelt das Taschenbuch: «Firefighting» von B. S. Bernanke, T. F. Geithner und H. M. Paulson Jr., Penguin Books 2019). Die Kosten für alle betroffenen Volkswirtschaften stiegen in Höhen, die vorher unvorstellbar waren und unter denen auch die Schweiz und ganz Europa heute noch leiden! (vgl. dazu auch die authentischen Berichte unter https://www.uff-economics.ch/finanzkrise).


Einräumung von Vorkaufsrechten

Die Initianten fordern weiter, dass der Bund die Kantone und die Gemeinden ermächtige, zur Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus für sich ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke einzuführen. Bei einer solchen Massnahme muss sich der Stimmbürger bewusst sein, dass durch ein Vorkaufsrecht für Kantone und Gemeinden die Wettbewerbsstellung der privaten Nachfrager (Personen, die Wohnungen bauen wollen, aber auch Pensionskassen, Rentenversicherungen, Immobiliengesellschaften u.a.) verschlechtert wird. Die Einräumung des Vorkaufsrechts zugunsten des gemeinnützigen Wohnungsbaus kann auch dazu missbraucht werden, den Kauf eines Grundstückes durch einen, aus der Sicht anderer Gemeindebürger, missliebigen Käufer zu verhindern. Es dürfte häufiger mit willkürlichen Ergebnissen zu rechnen sein.


Auch das Vorkaufsrecht gegenüber Grundstücken bundesnaher Betriebe ist abzulehnen. Diese Grundstücke sind mit Steuergeldern für einen andern Zweck erworben worden. Dieser ursprüngliche Zweck ist heute aufgrund der weiteren Entwicklung nicht mehr gegeben, weshalb das Grundstück wieder verkauft werden kann. Dieser Verkauf hat zum optimalen Nutzen der Steuerzahler zu erfolgen. Kantone und Gemeinden können in Konkurrenz zu anderen Nachfragern sich darum bewerben, aber ohne Vorkaufsrecht.


Subjektförderung statt Objektförderung

Wenn Haushalte mit bescheidenem Einkommen bei der Miete von Wohnungen unterstützt werden sollen, dann kann dies direkt und auf relativ einfache Weise erfolgen. Seit langer Zeit zeigen nämlich Untersuchungen, dass mit direkten Zuschüssen für die Wohnungsmiete effektiver und effizienter geholfen werden kann als mit der Unterstützung von Wohnbaugenossenschaften. Die derart unterstützten Personen erhalten dadurch erst noch mehr Freiheit, eine ihren persönlichen Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu wählen. Beide, Objekt- und Subjekthilfe, haben Vor- und Nachteile. In letzter Zeit sind jedoch besonders Nachteile der Objekthilfe an die Öffentlichkeit gelangt, z.B., Fehlbelegungen und Missbräuche durch nicht anspruchsberechtigte Personen, Klientelismus (Bevorzugung einzelner Personengruppen), unbefriedigende Durchmischung innerhalb von Siedlungen, auch werden die tatsächlichen Kosten für das Gemeinwesen bzw. die Steuerzahler nicht transparent erfasst.


Beispielsweise zeigt eine Untersuchung der Verhältnisse in der Stadt Zürich aus dem Jahr 2018, dass dort die Objekthilfe (Unterstützung des gemeinnützigen Wohnungsbaus) vorherrscht (vgl. Niels Lehmann, Die Opportunitätskosten der Wohnbauförderung in Zürich, Universität Zürich, 14.05.2018). Der Autor versucht neben den offensichtlichen auch die versteckten Kosten der städtischen Wohnbauförderung zu ergründen. Leider werden diese durch das Gemeinwesen nicht systematisch erhoben und veröffentlicht. Eine Schätzung zeigt jedoch, dass die Stadt Zürich, auf dem im Baurecht an Wohnbaugenossenschaften abgegebenen Land, einen viel tieferen Baurechtszins erzielt, als wenn sie jeweils marktgerechte Preise vereinbart hätte. In der Abbildung 2 wird diese Differenz als ein für die Stadt Zürich «entgangener Ertrag» dargestellt (ca. CHF 70 Mio. im Jahr 2016). Der Autor kommt dabei zum Schluss, dass wenn die Stadt Zürich auf diesem Land marktgerechte Baurechtszinse erzielen würde, sie damit eine ansprechende Subjektförderung finanzieren könnte (vgl. die Säule C in Abb. 2). Zusätzlich würde sie dadurch auch die übrigen Kosten und sonstigen Nachteile einer Objektförderung weitgehend vermeiden. Diese sogenannte Subjekthilfe wird in der Schweiz in einzelnen Kantonen (z.B. Kt. Genf) und Städten (z.B. Basel-Stadt) bereits praktiziert. Andere können von den dort gemachten Erfahrungen lernen.


Aus den dargelegten Gründen ist die Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» abzulehnen. Parteien, Verbände und Behörden werden jedoch aufgefordert, nicht noch mehr Geld in die Objekthilfe zu lenken, sondern Vorschläge für eine ausgewogene und umfassende Subjekthilfe auszuarbeiten.

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