top of page

Führt Verdichtung zu höheren Mieten?

  • Ulrich Fiechter
  • 3. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 6. Mai

Durch Verdichtung werden auf derselben Grundfläche mehr Wohnungen angeboten. Danach sind häufig steigende, statt gleichbleibende oder sinkende Mieten zu beobachten. Die einen sagen dann: «Das ist doch klar, die Wohnungen sind neu und bieten auch mehr Komfort!». Andere meinen jedoch: «Nein, das ist das Werk der Profitmaximierer; die Mieten für die neuen Wohnungen steigen stärker, als dies durch die Baukosten gerechtfertigt wäre!».


Wenn man dementsprechende Zeitungsberichte über den Mietwohnungsmarkt liest (z.B. Der Bund, 28.03.2025, S. 9, «Wie Verdichtung die Mieten beeinflusst», mit Beispielen aus Kloten/ZH und aus Ostermundigen/BE), kommt die Frage auf, ob für den Mietwohnungs-markt ökonomische Gesetzmässigkeiten nicht gelten. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass auch auf diesem Markt verschiedene Wirkungen auseinanderzuhalten sind.


Im Alltag kann jede Person beobachten, wie die Preise fallen, wenn von einem Gut mehr angeboten wird, auch wenn sich die Nachfrage nicht verändert hat. Deutlich erkennbar ist dies beispielsweise beim Benzin, dessen Preis fällt, wenn mehr Erdöl gefördert wird. Ökonomische Gesetzmässigkeiten werden nicht einfach ausser Kraft gesetzt; aber sie werden häufig übersehen oder deren Wirkungsweise wird falsch interpretiert. Im konkreten Fall, dem Mietwohnungsmarkt, sind auch die Auswirkungen politischer Eingriffe, wie bei-spielsweise jene über die Mietgesetzgebung, zu berücksichtigen. Die Mietgesetzgebung in der Schweiz verhindert eine rasche Anpassung der Mieten an eine gestiegene Nachfrage. Deshalb kann eine beklagte Wohnungsnot auch über längere Zeit bestehen bleiben. Sobald jedoch eine Aufstockung erlaubt wird, werden die neuen Wohnungen in einem Quartier zu höheren Mieten angeboten. Die Erhöhung der Mieten für die bestehenden Wohnungen er-folgt erst später, z.B. bei einer Erhöhung des Referenzzinssatzes, bei einem Mieterwechsel und/oder nach einer Renovation. Die bisher verhinderte Anpassung der Mieten, an die bereits gestiegene Nachfrage, wird nun nachgeholt.

Dieser Mechanismus soll stark vereinfacht anhand von zwei Grafiken für einen Miet-wohnungsmarkt erläutert werden.

Ein Mietwohnungsmarkt schematisch dargestellt
Ein Mietwohnungsmarkt schematisch dargestellt

Die Grafik 1 stellt die aktuelle Marktsituation in einem Quartier mit Mietwohnungen dar. Das vorhandene Wohnungsangebot ist mit Ao dargestellt. Damit sind alle Wohnungen mit einer Gesamtfläche von fo m2 vermietet. Der mittlere Mietzins beträgt Po CHF/m2 und Jahr. Nun steigt die Nachfrage nach Wohnungen in diesem Quartier um ΔN, d.h. von No auf N1. Die Miete kann jedoch nicht angehoben werden, sie bleibt auf dem Niveau von Po. Zu diesem Preis möchten jedoch alle interessierten Mieter Wohnungen mit der Gesamtfläche von f1 mieten. Verfügbar und bereits vermietet sind jedoch Wohnungen mit einer Gesamtfläche von fo. Die anderen Mietinteressenten gehen leer aus und beklagen den Wohnungsmangel, sie sprechen von Wohnungsnot. Dies entspricht der gleichen Wirkung, wie wenn eine Höchst-miete für diese Wohnungen auf dem Niveau von Po festgelegt worden wäre. Es hat nun tatsächlich mit der höheren Nachfrage N1 zu einem Preis von Po zu wenig Wohnungen. Zu einem höheren Preis, wie beispielsweise P’1, wäre der Wohnungsmangel bereits kleiner. Ganz anders in einem freien Markt, dort würde der Preis steigen. Das wäre das Signal für Wohnungsknappheit und die Initiativen zum Bau neuer Wohnungen würden angeregt, weil unter anderem auch eine höhere Rentabilität lockt.


Nun wird angenommen, es werde neu eine Aufstockung erlaubt. Zusätzliche Wohnungen im Umfang von ΔA kommen auf den Markt (vgl. Grafik 2). Vereinfachend wird davon ausge-gangen, dass diese neuen Wohnungen einen mit den bestehenden Wohnungen vergleich-baren Ausbaustandard aufweisen. Das Angebot, von bestehenden und neuen Wohnungen zusammen, steigt dadurch von Ao auf A1. Für die neuen Wohnungen werden höhere Mieten verlangt (die Argumente sind z.B.: Die Wohnungen sind neu, die Baukosten sind gestiegen, es erfolgten Sanierungen u.a. mehr). Nun werden auch die Mieten für die bisherigen Woh-nungen nach und nach steigen, obwohl das Wohnungsangebot vergrössert worden ist.


Zusammenfassend zeigt diese Analyse, dass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, wie sich die Wohnungsmieten aufgrund einer Aufzonung entwickeln werden. Die tatsächliche Veränderung der Mieten bei einer Aufzonung hängt nämlich davon ab, wie stark die Nach-frage nach Wohnungen gestiegen ist, in welchem Ausmass die bestehenden Mietenzinsen deshalb bereits erhöht werden konnten und wieviel Wohnfläche durch die Aufstockung der Gebäude zusätzlich auf den Markt kommt. Deshalb kann auch nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass eine Aufstockung die soziale Durchmischung in städtischen Quar-tieren beeinträchtige, weil sie zu einer Verdrängung einkommensschwächerer Haushalte führe (sogenannte Gentrifizierung). Der Grund liegt in der gestiegenen Nachfrage, auf die wegen der restriktiven Mietgesetzgebung nicht rasch genug durch Erhöhung des Angebots reagiert werden kann. Bei einem freien Mietwohnungsmarkt würden die Mieten bei erhöhten Nachfrage N1 vermutlich rasch auf P1 steigen (vgl. Grafik 2), um dann wieder zu sinken, beispielsweise auf P2, je nachdem wie gross das Angebot an neuen Wohnungen zunimmt. Deshalb sollte auch die soziale Durchmischung nicht durch Eingriffe in die Mietpreisbildung, sondern mittels andern Massnahmen (z.B. quartierbezogene Gestaltungspläne) erreicht werden.

 
 
 

Comentarios


bottom of page